Die Goldenen Zitronen
Material

Kristof Schreuf über den Dokumentarfilm
„Übriggebliebene Ausgereifte Haltungen“ von Peter Ott:

"The Lemons are Alright"

Der Film beginnt in Ruhe, in einem Haus in einer ländlichen Gegend. Da sitzen ein paar umherschweifende Anti-Mucker in der Küche, reden, wandern durchs Bild oder müssen gleich wieder los. Manche von ihnen gehen in einen Raum nebenan und an die Instrumente, die dort stehen. So fängt der Regisseur Peter Ott Atmosphäre ein. Die Orte, an denen sich die Musiker befinden, haben Namen, sie heißen „Farm von Max Yasgur im Staat New York“, „Villa Nellcote an der Cote d`Azur“, „Fresenhagen in Schleswig-Holstein“ oder „Weilerswist bei Köln“. Ein Ort heißt auch „Deutschland“, ein anderer „woanders“. Peter Ott zeigt schon mit den ersten Einstellungen, wo die Goldenen Zitronen zu Hause sind und wo sein Film über sie spielt: Überall.


Die Leute, auf die Ott mit seiner Kamera zukommt, als Band zu bezeichnen, wäre eine grobe Untertreibung. Sie bilden das, was man bis in die neunziger Jahre hinein einen „Zusammenhang“ nannte. Es gibt keine fröhlicheren, ereignisreicheren (Film-) Szenen aus dem Leben der Bohème als diese hier, in der die Goldenen Zitronen und einige Interviewpartner - von Poptheoriestars über ehemalige Bandmitglieder bis hin zum Malerfürsten - zu sehen sind. Ott präsentiert sie uns als denkbar lockerste, wuseligste Massenformation. Deshalb wirken die Zitronen im Film grundsätzlich anziehend. Prächtig gelaunt beschimpfen sie im Fernsehen das Fernsehen. Als Gast-Moderatoren einer Musiksendung bringen sie es fertig, das köstlich beknackte Interview eines bekannten Schriftstellers mit einem noch bekannteren Deutschpoprocker zur Kenntlichkeit zu entstellen. Und nicht zuletzt lässt Ott die Zitronen von Zeiten berichten, in denen Stil und Inhalt aufeinander prallten und sich etwa der Unterschied zwischen „dir“ und „mir“ daran festmachen ließ, dass „dir“ ein Oberlippenbart gewachsen war, was „mir“ zeigte, dass „wir“ uns von nun an nicht mehr einig werden würden.

 

Auf die Frage, warum sie in all den Jahren keines der Angebote, zu einem Major-Label zu wechseln, angenommen haben, antwortet einer von ihnen fast verdutzt: „Wozu hätten wir das machen sollen?“

 

Zwischen solcherart Erläuterungen rauschen die Zitronen als vermeintliche Ziellosigkeiten durch Studios, durch aller Damen und Herren Länder und durch diesen Film. Ott ist immer wieder dabei, auch wenn sie miteinander reden, auf diese besondere, Zitronentypische Art. Man könnte diese Art zu reden als Rock`n`Roll bezeichnen. Aber bei den Zitronen ist es angemessener zu sagen: Schorsch`n`Ted. Oder Ted`n` Schorsch. Wenn es eine Ästhetik-Partei gäbe, dann müsste sie so sein wie die, die Peter Ott beim Reden zeigt. Wer wie der Filmbetrachter deren Mitgliedern begegnet, ist gleich mittendrin, mitten im Sozialen, mitten im Machen, wird angesteckt vom smarten Drive, der von den Goldenen Zitronen ausgeht. Denn die Zitronen sind nicht nur eine Band und eine Ästhetik-Partei, sondern auch eine Charme-Offensive. „Übriggebliebene, ausgereifte Haltungen“ erkundet ein dazu passendes Gefühl, für das es in den sechziger Jahren einen Ausdruck gab. Damals sagten Leute über andere Leute: She’s happening. Oder: He’s happening. Damit war gemeint, dass jemand „angesagt“, „schick“ und gerade dabei war, so richtig populär zu werden. Nach so jemandem drehte man sich um, sobald er oder sie einen Raum betrat. Die Charme-Offensive der Zitronen besteht darin, mit Batzen schönster Energie auf ihr Publikum zuzukommen und ihm entgegen zu schreien: You’re happening! So lassen sich die Zitronen als Gesundheit erleben, die ansteckend wirkt. Etwas Besseres als ein Film von Peter Ott über die Goldenen Zitronen ist deshalb schwer zu machen. Der Filmtitel ließe sich auch übersetzen mit: The Lemons are Alright. Bloß würden sie das nicht auf sich sitzen lassen. Sie würden behaupten: The Lemons are not Alright.

 

 

FILMtrailer:

 

Die Goldenen Zitronen |ÖLENIN (2006)

Die Goldenen Zitronen Material

Doppel-DVD

DVD 1

Dokufilm ”Übriggebliebene Ausgereifte Haltungen”
von Peter Ott

Sämtliche Musikvideos von 1987-2006, inkl. dem legendären „Das bißchen Totschlag“

DVD 2

Dokumentation der Albumaufnahmen von „Schafott zum Fahrstuhl“ in Bukarest
Umfangreiches Bonusmaterial mit den ersten Liveauftritten, einer eigenen Fast Forward Sendung, Rastplatztreffen mit den Toten Hosen, Interviews u.v.m.

 

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